Rolf Humbel, Sozialbegleiter in Ausbildung
Erst vor kurzem ist Niluka Hess in den Kanton Zürich gezogen. Sie arbeitet in der Kita Triemlispital, eine von zwölf städtischen Kitas in Zürich. Eine grosse Veränderung für Niluka Hess, denn zuvor war sie die letzten 16 Jahre im gleichen Betrieb. Nach der Lehrzeit wollte sie sich alle Türen offenhalten. Der Plan: Studieren und nebenher arbeiten. Doch sie erhält das Angebot für eine feste Teilzeitstelle bei dieser Kita. Nach einem Monat folgt bereits das Angebot zur Gruppenleitung mit einem höheren Pensum. Ihre Vorgesetzten förderten sie, eins führte zum anderen, und sie übernahm die Berufsbildung im Betrieb. Der Drang nach Veränderung kommt in ihr auf und nach mehreren Beratungen im Laufbahnzentrum entscheidet sie sich für das Studium Kindheitspädagogik HF.
In der Praxis wirken
«Ich hatte geplant, das Studium als Vorbereitung für eine Ausbildung zu nutzen, um an der Berufsfachschule zu unterrichten. Aber dann merkte ich: Eigentlich wäre es jetzt schade, wenn ich nach der Ausbildung aus dem Kita- Bereich verschwinde. Neben der hohen pädagogischen Qualität, die mir wichtig ist, will ich an der Basis und in der Praxis bleiben. Ich möchte dort sein, wo meine Wirksamkeit am grössten ist.» Die Divergenz der Zukunftsvorstellungen innerhalb ihres Studienkreises überraschte sie. «Ich verstand nicht, wie junge, gut ausgebildete Frauen sich nach dem HF Studium mit dem Thema Familienplanung beschäftigen und so eigentlich dem Betrieb verloren gehen. Ich darf aber nicht von mir auf andere schliessen. Es gibt steile Karrieren und solche mit Umwegen. Schlussendlich teilen wir uns die gleiche Motivation.»
Sie realisiert, dass sie ihr Wissen an die Lernenden weitergeben und damit die Qualität im eigenen Ausbildungsbetrieb steigern will. Sie erhält das Angebot für die Leitung der Kita. Im Bewerbungsprozess merkt sie: «Nein, eine Kita leiten ist nicht mein Ziel.» Als eine Person kurzfristig ausfällt, springt sie trotzdem ein. Vormittags betreut sie in der Gruppe und arbeitet nachmittags im Büro. Zusammen mit dem Team setzt sie ein neues Bildungskonzept um und schafft die Praktika ab. «Das habe ich einfach entschieden. Punkt. Ich finde es den Jugendlichen gegenüber unfair, dass es vor einer Grundausbildung ein vorangehendes Praktikum geben soll», sagt sie entschlossen. Trotz ihrer Führungserfahrung, die sie sammelt, fühlt Niluka Hess eine Zerrissenheit. Sie möchte sich stärker um die Basis und die Ausbildung im Betrieb kümmern können. Dort wo sie ihre Wirksamkeit spürt.
Bildungsqualität sichern
In der Kita Triemli teilt sich Niluka Hess‘ Pensum nun in ein für sie perfektes 50/50-Modell auf. Sie geniesst, dass sie zwei fixe Tage hat, in der sie die Kinder betreut. Und zwei Tage sind für die Bezugspersonenarbeit und die Auszubildenden eingeteilt. Die neue Bildungsverordnung, die seit 2021 in Kraft ist, beschäftigt auch Niluka Hess. Sie besucht die Revisionsschulung bei der OdA Soziales Zürich, um sich auf die Neuerung einzustellen. «Ich bin in einem anderen System ausgebildet worden, gerade darum möchte ich meinen Auszubildenden vermitteln, dass ich sie sicher durch ihre Ausbildung führen kann.»
Finanziert hat sich Niluka Hess ihre Weiterbildungen dank der Unterstützung durch den Betrieb, aber vor allem mit ihrem eigenen Ersparten. Dazu meint sie: «Das grosse Thema in den Sozialberufen sind immer die Ressourcen und der gesellschaftliche Stellenwert. Der Lohn hat viel mit Wertschätzung zu tun. Grundsätzlich erlebe ich viel Anerkennung zur Sinnhaftigkeit unserer Branche. Aber das reicht Ende Monat einfach nicht. Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell diese Anerkennung wieder verpufft. Trotzdem versuchen wir mit unseren sehr begrenzten Ressourcen das Beste herauszuholen. Das ist nicht einfach. Darum ist mir persönlich das Thema Ausbildung so wichtig. Für die Beziehungsarbeit und Betriebsqualität ist es wichtig, dass unsere gut ausgebildeten Fachleute erhalten bleiben.»
Sozialberufe als Stützträger der Gesellschaft
Niluka Hess‘ Anspruch ist klar. Sie wünscht sich eine attraktive Branche. Durch hohe Qualität in der Betreuung – aber auch in der Ausbildung. «Wir befinden uns ständig im Spagat, Dienstleister zu sein, die wachsenden Ansprüche von Eltern zu erfüllen und andererseits pädagogische Qualität sicherzustellen. Als Kita gehören wir nicht zum pädagogischen System, aber gerade in der frühen Kindheit leisten wir einen enormen Beitrag in der Kindesentwicklung. Wenn z.B. Kinder mit Migrationshintergrund kulturell abgekapselt aufwachsen und später in den Kindergarten kommen, dann sind es auch die Kitas, die diese Herausforderungen auffangen können.»
Als nächstes steht bei ihr auf der To-do-Liste der Nachdiplomkurs als Praxisausbildnerin für die HF-Studierenden. Sie will ihren Studierenden Top-Leistung entgegenbringen. Wenn diese sich für Themen in der Pädagogik interessieren, holt sie sich in Kursen das Wissen ab und gibt es vertieft weiter. Auch die Lust auf mehr Bildung möchte sie ihren Lernenden und Studierenden weitergeben. Sie lebt vor, dass Lernen nie aufhört. Sie selbst lässt sich auch davon inspirieren, wenn man offen ist und Lust auf Neues hat. «Für mich funktioniert das Konzept ‹Lebenslanges Lernen› sehr gut. Mich hat es persönlich weitergebracht, gibt mir Bestätigung und Motivation.»